Geht es Ihnen auch manchmal so, dass Sie sich der allgemeinen Weltuntergangsstimmung nicht erwehren können? Wird nicht alles immerzu schlechter? Geht die Welt, wie man so schön sagt, „unweigerlich den Bach herunter“?

Es ist in der Tat nicht leicht, auch nur einen Abend den Fernseher anzustellen, ohne an Menschheit und Planet zu verzweifeln. Es reicht schon das Programm von RTL. Oder ein Blick in den SPIEGEL, dieses verlässliche Organ dafür, dass die Welt immer schwieriger und unlösbarer und unübersichtlicher wird. Aber ist das alles real, wovor wir uns fürchten? Ist die schreckliche Zukunft, die wir in Medien und Hirn generieren, die Wirklichkeit?

Was ist «Intelligenter Optimismus»?

Zunächst gilt es, den dummen Optimismus zu verstehen. Das ist jene Welthaltung, der die Welt eigentlich egal ist. Hauptsache die Laune stimmt. Das ist der Optimismus von Schlagersängern, die sich innerlich kaum auf den Beinen halten können, aber vom „Großen Glück“ singen. Von Tschakka-Börsen-Brokern oder Werbestrategen, die den Optimismus als Verkaufsparole benutzen.
Davon gibt es viele. Optimismus kann eine Variante des Zynismus sein. Indem er das Schlechte und Bedrohliche leugnet, das es ohne Zweifel im Leben, in der Welt, gibt. Und versucht, alles auf die «Stimmung» zurückzuführen.

Kinder haben übrigens meistens einen schlauen Optimismus. Sie wissen, dass sich das Monster unter dem Bett verstecken kann. Und dass der böse Mann vielleicht gleich um die Ecke wohnt. Aber Kinder lassen sich, wenn sie in einer gesunden Beziehungswelt leben, von Monstern und bösen Männern nicht über alle Maßen beeindrucken.

Um intelligenten Optimismus zu leben, muss man zunächst verstehen, wie Pessimismus wirklich funktioniert. Pessimismus ist weniger das Ergebnis schlechter Erfahrungen. Sondern ein Schutzversuch. Es geht darum, innerlich unverletzt zu bleiben, indem man alles Schlechte unentwegt voraussieht.

Der Pessimist möchte mit der Formel „Ich hab’ ja immer schon gewusst“ um jeden Preis die Kontrolle behalten. Er macht sich vor, dass der Schmerz weniger wehtut, wenn man sich andauernd darauf vorbereitet. Oder, in der magischen Variante: Dass das Schlechte gar nicht erst eintritt, wenn man es drastisch beschwört und damit droht.

Die Science-Fiction-Autorin Ursula K. Le Guin schrieb über die überall kursierenden Weltuntergangs-Visionen:

„Die modische Dystopie noire kehrt die Plattitüden lediglich um, verwendet Säure statt Süßstoff und übergeht doch die Auseinandersetzung mit menschlichem Leid und echten Möglichkeiten.”

Beides, ignoranter Optimismus wie apokalyptischer Pessimismus, sind in Wahrheit Beziehungs-Verweigerungen. Sie entstehen aus der Weigerung, sich mit der wirklichen Welt und anderen Menschen in wahrhaftige Verbindung zu begeben. Und für etwas Besseres einzustehen. Erst wenn wir uns verbinden und im Positiven «verschwören», entsteht eine Wirklichkeit der Zukunft, auf die wir uns beziehen können.

Eine der momentan stark wachsenden Denkschulen ist der Stoizismus. Diese aus der Antike stammende Philosophie bietet eine intelligente Technik, mit dem Bedrohlichen und Schrecklichen anders umzugehen als durch Verdrängen, Blauäugigkeit oder apokalyptische Selbstverwerfung.

(Siehe als Einführung z.B.: Irvine, William B., „Eine Anleitung zum guten Leben: Wie Sie die alte Kunst des Stoizismus für Ihr Leben nutzen“, FinanzBuch, München 2020)

Matthias Horx: Intelligenter Optimismus

Die Grunderkenntnis des antiken Stoizismus besteht, ähnlich wie beim Buddhismus, darin, dass wir im Grunde nicht an der „Umwelt“, sondern immer an unseren Ansprüchen und Anmaßungen scheitern. Das Leid entsteht vor allem in unseren Erwartungen, auf die wir uns hartnäckig fixieren. Immer werden wir enttäuscht! Immer will die Welt nicht so, wie WIR wollen! Böse Welt, schlechte Welt!

Im Gegensatz zum klassischen Buddhismus zielt der Stoizismus aber nicht auf Rückzug und Vergeistigung ab. Sondern auf ein aktives, pragmatisches Verhältnis zur Welt.

Stoizismus bietet etwas an, was man „Enttäuschungskluge Zuversicht“ nennen könnte. Im Kern geht es darum, unser Welt-Verhältnis in drei Kategorien aufzuteilen:

  • Das, was ich nicht ändern kann.
  • Das, was ich kontrollieren und ändern kann.
  • Das, was ich beeinflussen kann, aber nur teilweise.

Der eigentliche Grund für unser modernes Leiden an der Welt – und unsere Zukunfts-Unfähigkeit – liegt an unserer Selbstüberforderung. Wir fühlen uns dauernd für alles verantwortlich, für alles Bedrohliche und Furchtbare, alles Ungleiche und Ungerechte, was durch die Milliarden Kanäle der Medien in unser Hirn träufelt. Und haben gleichzeitig den Größenwahn, das alles allein «lösen» zu müssen. Diese negative Allmachtsphantasie macht uns verrückt.
Dabei ignorieren wir hartnäckig (und halbherzig) das, was wir tatsächlich ändern könnten. Und das ist mehr, als wir denken, wenn wir auf den Negativ-Trips sind.

Eine klassische stoizistische Übung ist die „Praemeditatio Malorum”. Ich denke ich jeden Morgen an das Schlechteste – um mich den Rest des Tages davon zu befreien. Wir stellen uns vor: Wir sterben an Krebs. Unser Partner verlässt uns. Wir bekommen Alzheimer. Unser Hund stirbt. Oder umgekehrt: Der Hund bekommt Alzheimer, wir sterben. Der Weltkrieg bricht aus, weil irgendein fanatischer Diktator durchdreht. Die Erde erhitzt sich wie ein Grillhähnchen, und alle Menschen sind tot.

Albert Ellis, einer der Begründer der kognitiven Verhaltenstherapie, nannte dieses Verfahren „aktives Dekatastrophieren“. Indem man sich das Schlimmste in allen Varianten vorstellt, wird es aus dem mind herausgeschwemmt. In ironischem Englisch: „Scaring the shit out of me…”.

Reifer Optimismus bezieht sich nicht so sehr auf einen bestimmten Zustand, auf eine fixierte Zukunft die wir wünschen oder fürchten. Sondern darauf, dass wir anderen – und uns selbst – etwas zu-trauen.

Aus der „Praemeditatio Malorum” bewegen wir uns dann zurück in die Wunder der Wirklichkeit. Wir sind noch nicht tot, vielmehr doch ziemlich lebendig – ist das nicht erstaunlich? Wir leben womöglich eine glückliche Beziehung. Oder eine Beziehung, die glücklicher werden kann. Wir haben erstaunliche Freunde. Es herrscht mehr oder minder Frieden, auch wenn alle in den Medien sich verbal die Köpfe einschlagen. Der Hund liegt friedlich auf dem Sofa.

  • Es gibt Glück, wenn wir es sehen.
  • Die Welt geht womöglich gar nicht unter. All das ist nur eine Fiktion unseres aufgeregten Hirns.
  • In dieser Re-Gnose (Wieder-Schöpfung) entsteht die Kostbarkeit des Lebens. Und eine Beziehung zur Zukunft, für die man nun selbst verantwortlich ist.

Der kluge Optimist versteht, dass der menschliche Geist in der Lage ist, sich selbst unentwegt zu täuschen. Er ist Konstruktivist, das heißt, er hat verstanden, dass die Welt nicht «da draußen» entsteht. Sondern in unseren inneren Bildern, den «Frames» unseres Denkens.

Der kluge Optimist vermeidet sinnlose Spiele. Meinungsstreit im Internet. Erregung, die nichts nützt. Er kann trotzdem wütend werden, denn auch das ist Ausdruck von Lebendigkeit.

Vor allem weiß der kluge Optimist, dass seine inneren Haltungen nicht einfach Privatsache sind. Man kann mit apokalyptischem Spießertum, mit Selbst-Verwerfung und Welthass, ungeheuer viel verderben. In einer Partnerschaft kann Verbitterung die Liebe leicht zerstören. Im Beruf ist das ständige Negativ-Denken Gift. In der Politik dient zynischer Pessimismus als Waffe für bösartige Populisten. Populisten füttern immer wahnhafte Untergangs-Mythen. Im Namen irgendeines Niedergangs – des Volkes, der christlichen Kultur, der Wirtschaft, der Freiheit – kann man die unverschämtesten Machtansprüche stellen. Und die blödesten Demonstrationen veranstalten.

Matthias Horx: Intelligenter Optimismus. Ein Beitrag von Zukunftsforscher Matthias Horx bei zukunftsredner.com