Ein Gastbeitrag von Theresa Schleicher, Expertin für Handel, Retail & Wirtschaftsvordenkerin.
Ein Ausblick auf die positiven Auswirkungen der Zoll-Taktik auf die Wirtschaft Europas.
Die Zukunft kann auch anders aussehen – tatsächlich ist sie oft langweiliger und positiver, als es sich die Menschen ausmalen. Verzeihung für die erste Ernüchterung – ich weiß, dass negative Dystopien und Schwarzmalerei bei vielen hoch im Kurs stehen. Aber wenn uns die Vergangenheit etwas gelehrt hat, dann das. Bis zu einem bestimmten Punkt kippt unsere Gesellschaft, um sich dann wieder zu regenerieren.
Nun sind wir in der zweiten Amtszeit von Donald Trump und erleben eine Renaissance des Protektionismus, die Adam Smith erröten lassen würde. Mit den „Reciprocal Tariffs“ hat Trump eine Handelsstrategie entfesselt, die mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Die angekündigten – und dann wieder aufgeschobenen – US-Zölle auf europäische Waren sind keine Wohltaten für das eigene Land, sondern politische Machtdemonstration. Eine, die nach kurzer Zeit wieder vertagt wurde, um die Dramatik aufrecht zu erhalten. Offiziell, um Verhandlungen zu ermöglichen, doch vielleicht eher weil der Anleihenmarkt rebelliert und die Renditen der 30-jährigen US-Staatsanleihen in die Höhe schossen oder weil sich Länder verbunden wehren.
Und Europa: Wenn die Lauten sich prügeln …“
Für Europa und besonders für Deutschland gelten die Zollentwicklungen als besonders brisant. Das Bundeswirtschaftsministerium warnt vor einer „außergewöhnlich hohen“ Unsicherheit für deutsche Exporteure. Die Wirtschaftsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für 2025 gesenkt, mit der Aussicht auf eine mögliche Rezession.
Doch trotz dessen spreche ich Alt-Politikern und Investoren an diesem Nachmittag, der mich zum Schreiben bewegt und die Tage danach, über historische Chancen, die das Bild auch anders aussehen lassen. Denn bei all dem Hin und Her der großen Machtdemonstrationen im Westen und Osten, das was bei der Unwegsamkeit Unternehmen und Investoren bevorzugen, ist Verlässlichkeit – in Produktion und Kooperationen.
Und Europa? Es ist ein bisschen wie in der Schulzeit, wenn die Lauten sich prügeln…
Stabilität zeigt Stärke. Auch wenn das in ironischen Gesprächen im Regierungsviertel mal als Witz gesagt wird. Nur ein paar Zukunftschancen, die wir heute noch zu wenig sehen können: Verlässlichkeit mache eine Win-Win Kooperation aus. Sehen wir es wirtschaftlich. Unternehmen und Investoren lieben Stabilität. Während Zölle wie Flutwellen über Asien und Teile Amerikas schwappen, bieten der Euro-Raum Sicherheit und verlässliche Regulierung.
Frankfurt könnte als Finanzplatz profitieren, ebenso wie europäische Industrieanleihen, gar nicht zu sprechen von extrem lukrativen Wachstumschancen in den Industrien (von Rüstung bis Infrastruktur), die wir in ganz Europa ausbauen müssen, – und werden. Die Debatte über KI und grüne Technologien könnte durch Amerikas Zickzackkurs in der Handelspolitik durchaus eine Wendung nehmen. Wenn Washington abschottet, könnte Deutschland mit zur Drehscheibe für technologische Unabhängigkeit in Europa werden. Die Grundlagen von KI wurden hier geschaffen, das Wissen und die Köpfe gibt es.
Zölle vergehen, echte Kooperationen mit Märkten bleiben.
Mit Washington auf Solopfad und Peking im Dauer-Check, bietet sich die Notwendigkeit noch mehr mit anderen Schwellenländern und Nationen zu agieren und geschlossen, langfristige Kooperationen zu schaffen, um mit den ASEAN-Staaten, Kanada oder Brasilien neue Bündnisse schmieden, die auf Basis der globalen Verschiebungen als sicherer und stabiler gelten.
Das heißt übrigens nicht, dass jetzt die Stunde der soliden Buchhalter und Häkchenmacher ist…
Für einige Menschen mag das wie Schönmalerei klingen. Denn es gilt, einiges umzustellen. Die Energiepolitik etwa braucht keine weiteren Kompromissdiskussionen am runden Tisch, sondern eine Marschroute zu mehr Strom aus Sonne, Wind und klugen Köpfen – und zwar schneller, günstiger, speicherbarer.
Der Mittelstand, oft romantisiert, aber chronisch überfordert, bräuchte statt politischer Preisverleihungen einfach mal weniger Formulare, digitalen Kredit und eine Internetverbindung, die nicht langsamer ist als der Postweg. Und wirklich glänzen könnte der Wirtschaftsraum, wenn wir nicht nur Berlin und München wachsen lassen, sondern auch die wirtschaftlichen Perlen zwischen Weserbergland und Oberpfalz wieder ins Rampenlicht rücken: mit 5G, Glasfaser und einem ÖPNV, der nicht wie ein Beamter in Teilzeit arbeitet.
Und International? Ein wesentlicher Hebel in der wirtschaftliche Erneuerung wird in der konsequenten Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarkts liegen und das nicht als historisches Erfolgsmodell, sondern als dynamisches Zukunftsprojekt.
Zur Person Theresa Schleicher
Theresa Schleicher ist Wirtschaftsvordenkerin, Beirat im Bundeswirtschaftsministerium, und international renommierte Handels-Zukunftsforscherin. Sie forscht an den großen Entwicklungen der geopolitischen Wirtschaftsthematiken, den Spannungsfeldern von Nachhaltigkeit und technologischen Innovationen und bringt regelmäßig im politischen Kreis wie in den Handelsunternehmen in Europa Impulse für die Zukunft.
Theresa Schleicher berät DAX Konzerne u.a. die Porsche AG bei der zukünftigen Weiterentwicklung und veröffentlicht ihre Ergebnisse in jährlichen Studien u.a in Kooperation mit The Future Project, dem Zukunftsinstitut, im Sparring mit asiatischen Forschungseinheiten, dem WWF und dem Bundeswirtschaftsministerium. In ihrer aktuellen 12 monatigen Forschung geht sie der Frage nach, wie in Europa neue Innovationskraft entstehen wird und skizziert internationale Trends und Entwicklungen für die Wirtschaft dazu.
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